1 - Skepsis
Gääähhhhn ... Genug geschlafen. Es ist an der Zeit, mich zu amüsieren und etwas Chaos zu stiften. Ich werde diesen verdammten Menschen schon beweisen, dass ihre ach so tolle Wissenschaft nicht alles erklären kann.
Es wird so herrlich sein, die Skepsis in ihren Augen zu sehen, wenn ich meine Existenz erneut offenbare. Das ist jedes Mal so, wenn die Sterblichen mit Unerklärlichem konfrontiert werden. Ich liebe es, wenn sie über mich staunen.
Wissenschaft.
Pah.
Was freue ich mich darauf, jemandem etwas ins Ohr zu säuseln. Ich hoffe, dass in dieser Epoche mehr Sterbliche meine Stimme vernehmen werden als in den vergangenen. Viele von ihnen sind so zerbrechlich und schwach, dass sich ihr kleingeistiges Hirn verschließt, wenn ich anfange zu flüstern.
Die Ägypter waren so versessen auf ihren Pyramidenbau, niemand von ihnen hat auf mein Murmeln reagiert, selbst die Magier ignorierten mich. Alle, außer Cleopatra – die hatte ich im Griff. Und sie mit meiner Hilfe die Männer. Ihre Schönheit war mein Verdienst. Ja, sie war überaus gebildet, aber die Männer der damaligen Zeit hat sie nicht mit Intellekt für sich gewonnen. Dadurch waren die Herren eher verschreckt.
Maya, Inka, Azteken ... warum hatten die Menschen einen Narren daran gefressen, mit meiner Kraft gigantische Bauten zu erschaffen? Wobei die Römer mit mir ein ordentliches Chaos in der Welt angerichtet haben. Das war ein Spaß!
Herrlich.
Zerfallen sind ihre großartigen Reiche jedoch alle.
Was fällt den Menschen ein, mich einfach zu vergessen? So müde ich auch noch bin, das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich bin so viel mehr als Taschenspielertricks, und als es esoterische TikTok-Wicca-Hexen behaupten. Ich habe vielleicht geschlafen, aber den Wandel um mich herum mitbekommen. Die Zweifel gespürt ...
Und der traurige Rest, der meine Kraftlinien noch nutzt, nippt lediglich an meiner Macht, anstatt sich in ihr zu verlieren. Und das, obwohl meine Kraft nur ein Rinnsal ihrer eigentlichen Stärke war, während ich geschlafen habe, doch jetzt, wo ich wach bin…
Drehen wir sie mal auf.
Wie sich die jetzige Hochkultur wohl machen wird? Ob sie etwas aus den vergangenen Tagen gelernt haben? Ich bezweifle es.
2 - Wäre ich mal im Bett geblieben
»Das macht vierundzwanzig Euro und neunundneunzig Cent.« Ich lächelte die Dame freundlich an.
Missmutig kramte sie mit ihren langen Fingern in ihrer Geldbörse herum.
»Wucher«, grummelte sie vor sich hin und pfefferte mir das Geld auf den Tresen, statt es mir in die ausgestreckte Hand zu legen.
»Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag«, rief ich ihr hinterher.
Erst als die Tür ins Schloss fiel, sackten meine Mundwinkel nach unten. Ich war ein Meister in gespielter Freundlichkeit, was als Verkäufer eindeutig von Vorteil war.
Es kam recht häufig vor, dass die Menschen ihre schlechte Laune an mir ausließen, ein ihrer Meinung nach zu teurer Preis war nur einer der Gründe dafür. Wenn ich eins in der Schule gelernt hatte, dann war es die Fähigkeit, Emotionen zu verbergen.
Meine Eltern waren Besitzer eines magischen Antiquariats. Ein geräumiger Laden in einer Seitenstraße der Innenstadt von Grootingen. Früher waren wir die Anlaufstelle für ausgefallene Geschenke, denn es gab nur wenige Magier auf der Welt.
Schon seit der Schulzeit half ich hier aus. Das war unter anderem ein Grund dafür, dass ich von meinen Mitschülern verspottet worden war.
Wie oft hatte ich die Worte »Der muss doch nen Knall haben« gehört. Auf der Klassenfahrt zu unserem Schulabschluss hatten meine Klassenkameraden mich dazu auserkoren, eine Geisterbeschwörung durchzuführen. Wer, wenn nicht der komische Junge mit dem Hexenladen, sollte sich sonst damit auskennen?
Statt einem Geist hatte ich etwas Wind durch den Raum gesandt und meine Mitschüler erschreckt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Jetzt, wo sich das Studium dem Ende zuneigte, arbeitete ich hier hauptberuflich. Fred war der Meinung, es würde mein komplettes Privatleben in Beschlag nehmen.
Mit dieser Aussage hatte er recht. Ich verbrachte einen Großteil der Zeit in diesem Laden, aber ich bereute es nicht. Wer würde sich in einem Antiquariat voller magischer Artefakte und Bücher schon langweilen? – Außer Fred ...
Aber Fred, war einfach ne Nummer für sich. Es war unmöglich, ihm auch nur in irgendeiner Weise gerecht zu werden. Genau das machte seinen Charme aus.
Jede Minute ohne Kundschaft nutzte ich für mich. Ich schmökerte unheimlich gerne in den Büchern, bevor sie im Verkauf landeten. In einem der hinteren Räume, die nicht für Kunden zugänglich waren, hatte ich einen Stapel ungelesener Bücher, die auf mich warteten.
Einen magischen SuB sozusagen.
Manchmal bereitete ich im Nebenraum Tinkturen und Tränke zu oder entwickelte eigene Zaubersprüche. Es gab immer etwas zu tun, die Kunden nahmen von all der Zeit nur einen geringen Teil ein.
So war es früher zumindest gewesen.
Es war mittlerweile ein Jahr her, dass sich die Magie allen offenbart hatte. Aus zwei Prozent, die in der Lage gewesen waren, Zauber zu wirken, wurden plötzlich achtzig.
Mit dem Aufschwung hatten die Magier gerechnet, denn jede Hochkultur wurde irgendwann von ihr überschwemmt. Wenn wir eines waren, dann doch eine Hochkultur, oder?
Dass es so viele sein würden, überraschte uns dennoch. Wir waren überrumpelt von der Intensität des Geschehens. Keine Vorwarnung, keine Schwankungen, keine langsam sprudelnde Quelle. Die Magie hatte die Luken einfach aufgedreht.
In den ersten Wochen brach Chaos auf den Straßen aus. Ungewollt schossen Zauber aus Menschen hervor, jedes noch so kleine Gefühl war in der Lage, sich zu manifestieren, und oft endete das in Feuer und Explosionen.
Die Regierung verhängte sogar eine Ausgangssperre. Einen magischen Lockdown. Doch das feuerte die Gefühle der Masse so extrem an, dass die magisch bedingte Unfallrate weiter in die Höhe schoss. Mal von den Menschen abgesehen, auf die man in der Arbeitswelt nicht verzichten konnte.
Dieser chaotische Zustand, der mich sogar an ein anarchistisches System erinnert hatte und der mit Ausschreitungen einhergegangen war, hielt nicht lange an. Ich hatte kaum die vielen Schutzzauber um unser Zuhause errichtet, da konnte ich sie auch schon wieder einreißen.
Schneller als erwartet hatte sich die Situation gefangen. Die Menschen lernten auf eigene Faust, mit ihren Fähigkeiten umzugehen. Politisch blieb das Thema ein heißes Eisen, aber zumindest gab es kaum noch größere Vorfälle.
Ich selbst war einer von zwei Prozent der Bevölkerung, die mit Magie schon früher in Berührung gekommen waren. Von klein auf hatte ich diese Kunst trainiert. Das war einer der Gründe, warum wir überhaupt ein magisches Antiquariat besaßen.
Nach der großen Magieoffenbarung zählten wir nicht mehr nur die alteingesessenen Magier zur Kundschaft, sondern so gut wie jeden. Die Menschen waren auf der Suche nach Informationen und unser Laden kam ihnen dabei wie gerufen.
Während einer der Alten abfällig mit der Nase gerümpft hätte bei diesen neuen horrenden Preisen, griffen die Newbies fröhlich nach ihrer Geldbörse. Unsere Einnahmen waren auf einem Hoch wie noch nie.
Vater freute sich über die gefüllte Kasse. Er sah sich schon im vorzeitigen Ruhestand mit einem Drink am Strand.
In den ersten Wochen hatten wir oft Reporter und Kamerateams in unserem Laden. Uns wurde von einem privaten Sender sogar eine Reality-Doku angeboten, die wir dankend ablehnten. Fred war darüber richtig stinkig gewesen, denn er hatte sich schon als Teil der magischen ›Wollnys‹ gesehen.
Das Internet war voll von Verschwörungstheorien und Falschinformationen. Selbst für mich wurde es immer schwerer zu unterscheiden, was sich irgendeine esoterisch angehauchte Tante ausgedacht hatte und was von den Texten nützlich war. Jedes falsche Wissen konnte verheerende Auswirkungen haben.
In diesem Augenblick tummelten sich zwanzig Leute zwischen den einzelnen Gängen und stöberten durch das Inventar. Normalerweise setzte ich mich immer in die Leseecke, die wir für die Kunden hergerichtet hatten, doch bei so viel Andrang blieb mir nichts anderes übrig, als das aufgeschlagene Buch neben der Kasse liegen zu haben.
Mein Blick war auf die Zeilen des alten griechischen Grimoires gerichtet. Von der Haltung hatte ich schon Nackenschmerzen und so langsam mischten sich auch Kopfschmerzen darunter.
Es war nicht die Sprache, die meinen Lesefluss störte, sondern die krakelige Handschrift. Ich sprach sieben Sprachen, wobei mein Griechisch so altbacken war, dass ich unter Muttersprachlern klang wie ein Zeitreisender aus der Antike.
Ein ohrenbetäubender Knall ließ mich hochschrecken. Unsere Ladentür flog auf mein Gesicht zu. Im Bruchteil einer Sekunde reagierte ich. War es mein Körper, der einfach abspulte, was ich ihm Jahre lang antrainiert hatte? Es ging so schnell, irgendwelche Reflexe meldeten sich jedenfalls.
Ich konzentrierte mich auf die Kraftlinie, die mein Geist als Erstes zu greifen bekam, zog Energie aus ihr in die Hände und vollführte eine komplizierte, aber fixe Geste.
Das Tempo meines Zaubers war so hoch, dass mir keine Zeit blieb, um die warme pulsierende Energie, die ich in den Körper zog, zu genießen. Normalerweise glich sie einer Umarmung. Die Magie fühlte sich an wie ein heißer Schluck Kakao an einem eisigen Wintertag, während man eingemummelt in einer Decke auf der Couch lag.
Die Tür schwebte mitten in der Luft, als stünde die Zeit still, bevor sie krachend auf den Boden vor der Theke fiel.
Magische Gesten kannte ich viele. Mein Kopf war voll von ihnen. Sie tummelten sich dort wie Ameisen in einem gut organisierten Bau. Sie waren eine der einfachsten Grundlagen, um überhaupt Magie zu wirken. Neben der komplizierteren Möglichkeit, sie durch die Stimme zu aktivieren, oder sie als Vollprofi in Gedanken zu formen.
Ein weiterer Knall ertönte. Eine Druckwelle ließ unsere Fensterfront in Einzelteile zerspringen und die Scherben flogen ins Innere des Ladens. Die Kunden schrien erneut. Die explodierende Tür hatte sie dazu gebracht, sich auf den Boden zu legen. Sie hielten sich schützend die Hände über die Köpfe.
Der Zauber, um Glas in Glibber zu verwandeln, blitzte mir im Kopf auf und bevor die Scherben einen von uns treffen konnten, setzte ich ihn um. Ein durchsichtiger Schleim klatschte in sämtliche Ecken des Ladens und tropfte von unseren Regalen. Die Kunden, die in der Nähe der Front lagen, waren überzogen mit ihm.
Es sah so aus, als befänden wir uns in einer riesigen Nase.
Was zur Hölle war das hier?
Meine Sinne waren geschärft. Ich wartete auf den nächsten Knall.
Ein schiefgelaufener Zauber war unwahrscheinlich. Dann wäre es nur einer gewesen. Das hier wirkte gezielt!
Drei Männer betraten den Laden und stapften zielsicher auf die Theke zu. Ihre selbstsichere Art ließ mich aufhorchen. Sie schienen nicht sonderlich erschrocken und suchten nicht nach Hilfe. Ich vermutete, dass die zerstörerischen Zauber ihr Werk waren.
Aber warum?
»Wo sind die Scherben hin? Und was ist das für ein Glibber?«, fragte einer der drei verdutzt, doch dem Anführer der kleinen Truppe schien das egal zu sein. Er ignorierte seinen Kumpanen und fuhr mit dem fort, was er vorhatte.
»Das ist ein Überfall«, schrie der Rädelsführer in meine Richtung. »Mach schon. Geld her, aber zügig.« Zur Warnung streckte er seine Hand in die Luft, um die der grün wabernde Schleier der Magie erschien. Es sah eindrucksvoll aus, doch ohne eine besagte Geste war es nur der Anschein von Magie. Um etwas damit auszurichten, brauchte es mehr. Dieser Dunst glich einer ungeladenen Waffe.
Ich streckte ruckartig die linke Handfläche nach vorne, dann die rechte. Meine Daumen und Zeigefinger bildeten ein Dreieck. Mein Geist fokussierte die Magie und griff nach der Kraftlinie, die ich vorhin schon angezapft hatte.
Ich ließ die Zeigefinger der Dreiecksspitze auf die Daumen fallen und zog beide Hände voneinander weg. Zum Schluss ließ ich die Hände ein Stück nach vorne gleiten.
Dem herrischen Typen riss es die Arme auseinander. Sein Rucksack, den er mir entgegengehalten hatte, landete krachend auf dem Boden. Der Typ flog rücklings gegen eines der Bücherregale, wo er kleben blieb. Er sah aus wie Jesus, der am Kreuz hing.
Seine beiden Kumpanen reagierten sofort. Der, der nach dem Glibber gefragt hatte, formte einen Zauber, der dazu gedacht war, mir den Sauerstoff aus den Lungen zu ziehen. Die Handbewegung, die er vollzog, kannte ich.
»Netter Versuch«, sagte ich spöttisch. Ich konterte mit einem Reflektierzauber. Dafür streckte ich ihm meine Handfläche entgegen und murmelte das entsprechende Wort.
Nachdem er von seinem eigenen Angriff getroffen worden war, riss er sich die Hände an die Kehle und rang nach Luft. Es dauerte nur Sekunden, bis er ohnmächtig zusammensackte und wieder fähig war zu atmen.
Der Dritte bekam Panik. Er versuchte, rückwärts aus der Tür zu fliehen, doch ich ließ ihn nicht entkommen. Ich klebte ihn ebenfalls an das Bücherregal, direkt auf seinen Kumpel drauf, sodass es aussah, als wären beide in einer innigen Umarmung versunken.
Die Kunden auf dem Boden starrten mich an. Niemand hätte damit gerechnet, dass der unscheinbare, 1,65 m große Nicolas Köster in der Lage war, einen Kampf zu gewinnen. Und dann noch mit Magie.
Okay, ich wirkte jetzt nicht wie der typische Draufgänger, aber von einem Verkäufer in einem magischen Laden war es doch zu erwarten, dass er mit Magie umgehen konnte, oder? Die Blicke, die ich auf mir spürte, ließen etwas anderes vermuten.
»Ich glaube, es hackt!« Fred blickte von einem Bücherregal auf die beiden Angreifer runter. »Was ist bitte aus der Zurückhaltung geworden, von der du immer redest?«, schnauzte er mich an und schüttelte sich Glibber vom Körper. »Verfickte Drecksscheiße, Nico, das ganze Bücherregal hat gewackelt und mich geweckt.«
Fred war mein Albino-Frettchen, das durch einen missglückten Zauber meinerseits in der Lage war zu sprechen. Da er mittlerweile zwanzig Jahre alt war, ging ich davon aus, dass ich zusätzlich an seiner Lebenserwartung geschraubt hatte. Er war quietschfidel und wies kein Zeichen einer normalen Alterserscheinung auf.
»Dreckspisse. Ich darf keinen Mucks von mir geben, wenn Kunden im Laden sind, um nicht aufzufallen, aber du machst hier einen auf magische Kampf-Bitch«, maulte er weiter. »Nicht zu fassen.«
Dass Fred in der Lage war zu sprechen, glich Fluch und Segen zugleich. Seit frühster Kindheit hatte ich einen treuen Freund an meiner Seite, doch sein Vokabular ließ echt zu wünschen übrig. Seine Wortwahl war auch der Grund, warum er sich im Laden bedeckt halten sollte, auch wenn ein sprechendes Frettchen zur neuen Normalität gehörte. In den ersten Wochen hatten wir den Versuch gestartet, ihn als kleinen Verkäufer rumlaufen zu lassen, ernteten jedoch einen Haufen verärgerte Kunden dadurch.
Kennt ihr diese Momente, in denen nahestehende Personen etwas total Unangebrachtes sagen, was euch selbst erröten lässt? Bei Fred war genau das an der Tagesordnung. Lag es an meiner mangelnden Erziehung? Ich fühlte mich mit Fred wie ein Vater mit verzogenem Kind.
»Was glotzt ihr so bescheuert?«, fragte er die beiden klebenden Typen, deren Blicke auf ihn gerichtet waren. »Noch nie ein sprechendes Frettchen gesehen?«
»Ich rufe das SEKM an«, erklärte ich den Kunden und griff nach dem alten Wählscheibentelefon neben der Kasse. Die Menschen richteten sich vorsichtig auf, ein Herr rannte sogar, so schnell ihn seine Beine trugen, ins Freie.
Das Sondereinsatzkommando für magische Angelegenheiten war eine neu gegründete Abteilung der Justiz. Eine Reaktion auf den Ausbruch der Magie und den damit einhergehenden Umständen.
Innerhalb kürzester Zeit hatte es die Politik geschafft, Gelder zu beschaffen und Personal einzustellen. Was Anderes blieb ihnen in dieser Situation nicht übrig, immerhin standen wir kurz vor einem gesellschaftlichen Untergang, wenn nicht sogar vor einer Apokalypse.
Das SEKM kam schneller, als ich vermutet hatte. Fünf Beamte betraten unser Geschäft und kümmerten sich um die Situation.
Zwei von ihnen waren damit beschäftigt, meinen Klebezauber zu lösen, verzweifelten aber daran. Einer befragte die Kunden nach dem Tathergang, ein Weiterer sprach mit Fred, der unbedingt als Zeuge geführt werden wollte.
»Fred. Mit einem langgezogenen E. Also Freeeeed«, sagte er zu dem Beamten, der anscheinend gerade den Namen meines Frettchens notierte.
Der Fünfte von ihnen unterhielt sich mit mir. Er befragte mich zu jeder Einzelheit des Angriffes. Sein Interesse daran, wie ich in der Lage gewesen war, mich zu verteidigen, schien hoch. Der Kerl schrieb alles in ein kleines Notizbuch und schaute immer wieder zu mir auf, als ich ihm die Zauber erklärte.
»Ich kenne nur wenige Magier, die dazu in der Lage sind«, sagte er und seine Stimme klang verblüfft.
»Nico ist auch einer von den Alten«, erkläre Fred ihm, der mittlerweile auf meine Schulter geklettert war. Seine kleinen gelben Krallen gruben sich in mein Shirt.
»Das erklärt es.« Der Beamte runzelte die Stirn und nickte. »Trotzdem beeindruckend für dein Alter. Fünfundzwanzig bist du, richtig?«, fragte er und neben Verblüffung hatte ich das Gefühl, etwas Angst von ihm wahrzunehmen. Er wirkte irgendwie nervös.
Ich nickte.
Da die Beamten ihre Schwierigkeiten hatten, den Klebezauber zu lösen, half ich mit einem Schnipsen nach. Die gescheiterten Räuber plumpsten unter Stöhnen auf den Boden. Die Polizisten legten ihnen Handschellen an und führten sie ab.
»Ich hoffe, Sie sind gegen Magieausbrüche versichert«, murmelte der Beamte, der mich befragt hatte.
»Sind wir nicht.«
Nicht nur die Politik hatte auf den Ausbruch der Magie reagiert, auch die Versicherungen waren nachgezogen. So viele Vorfälle, wie es im Zusammenhang mit Magie gab, und die Tarife wurden so teuer, dass sie sich eine goldene Nase damit verdienten. Eine normale Haftpflichtversicherung deckte keine magischen Unfälle ab, weswegen die meisten diese teure Absicherung in Kauf nahmen.
»Das wird dann aber teuer für Sie.« Der Beamte schaute sich um und seine Augen streiften die Tür, den Glibber und die beschädigten Bücher.
»Nein, wird es nicht. Bis die Versicherungen jemanden rausgeschickt haben, bin ich schon fertig.« Ich murmelte ein paar mazedonische Wörter und das Chaos um uns herum löste sich auf. Die Tür hängte sich zurück in die Angeln, der Schleim flog zu den Fensterrahmen und setzte sich als Glasscheiben wieder zusammen. Nichts erinnerte mehr an einen Überfall.
»Das ist wirklich beeindruckend!« Der Beamte keuchte auf und kratzte sich am Kopf. »Unsere Leute sind Stunden damit beschäftigt, einen solchen Tatort wieder auf Vordermann zu bringen.«
»Der Aufräumzauber war einer der ersten, die ich gelernt habe.« Ein Grinsen stahl sich auf meine Lippen. »Kinder räumen unheimlich ungern ihr Zimmer auf.« Wobei ich auch als Erwachsener froh war, dass ich diesen Zauber beherrschte.
»Was war das für eine Sprache?«
»Mazedonisch.«
»Ist das die Sprache der Magie? Ich habe noch nie jemanden gesehen, der Magie mit Worten wirkt. Äußerst beeindruckend.«
Ich schüttelte den Kopf. »Man kann in jeder Sprache Magie wirken. Der Trick liegt darin, herauszufinden, welche Sprache für welches Vorhaben benötigt wird.«
Lustig wurde es, wenn man für einen Zauber mehrere Sprachen mischen musste. Es gab keine Regeln dafür, die einem das Studium der Magie erleichterte. Manchmal verlangte die Magie ein unaussprechliches Kauderwelsch von einem, damit etwas geschah.
Einen Aufräumzauber, der nur auf mazedonisch funktionierte, für den es auch keine alternative Geste gab – das trug die schelmische Handschrift der Magie.
Das Wort Feuer funktionierte in jeder Sprache. Etwas abzufackeln liebte sie offenbar. Das Chaos ließ sie sich nicht nehmen.
Das Kichern eines Kindes klang durch den Raum. Ich sah mich um, doch sah keines.
Kopfschüttelnd verließ der letzte Polizist den Laden und mit ihm die aufgeschreckten Kunden. Zum ersten Mal am Tag hatte ich den Laden für mich. Kam ich also doch noch zu meiner Zeit in der Leseecke.
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